Plötzliche Schulangst – Wie Tonfeldarbeit einem Mädchen half (mit Einblick einer betroffenen Mutter)

Vor einiger Zeit kam eine verzweifelte Mutter mit ihrer Tochter zu mir in die Praxis. Die Tochter, damals 10 Jahre alt, konnte von einem Tag auf den anderen nicht mehr in die Schule gehen. Es gab keine klare Ursache, keine offensichtlichen Auslöser. In der Schule lief alles gut: gute Noten, sozial integriert, keine Hinweise auf Mobbing oder ähnliche Probleme. Und trotzdem: Panikattacken, Übelkeit, Erbrechen, Drama und Tränen. Sie konnte die Stufen zur Schule nicht mehr hochgehen. Und keiner wusste, warum auf einmal.

Das Original-Feedback der Mutter

Und an dieser Stelle lasse ich die Mama selbst zu Wort kommen:

 

Ich bin die Mutter einer 11-jährigen Tochter. Mein Mädel hat quasi über Nacht angefangen, nicht mehr in die Schule gehen zu wollen. Ihr Unwohlsein steigerte sich so arg, dass sie morgens brechen musste, Panikattacken bekam und die Stufen zur Schule nicht mehr schaffte. Ich setzte alle Hebel in Bewegung, ging sofort zum Klassenvorstand, zum Direktor. In der Schule waren keine Missstände zu erkennen, C. hat gute Noten, kommt mehr oder weniger mit allen gut klar. Sie ist vielleicht ein wenig zu genau, kämpft sich in den Turnstunden eher durch … aber das sollte nicht der Grund sein, auf einmal, von heute auf morgen, die Schule nicht mehr besuchen zu können oder wollen. Einen Schulwechsel oder Klassenwechsel lehnte sie vehement ab, ich wusste also nicht mehr weiter. In meiner Not rief ich Ute an.

Ute schob uns sofort ein, sie wollte sich das Mädel ansehen. Nach den ersten Tonfeldstunden, zu denen C. immer gerne hinging, gab sie mir ein erstes Update. Die Geburt von C. war unser Problem – diese verlief alles andere als gut.

Wir einigten uns also auf anfangs 2 Tonfeldstunden/Woche, nach einigen Wochen reduzierten wir auf 1 Stunde/Woche. C. war begeistert, sie arbeitete fleißig mit und hatte mit Ute ein sehr gutes Verhältnis aufgebaut. Mit intensiven Tonfeldstunden im Sommer schafften wir sodann im Herbst einen mehr oder weniger problemlosen Start in der Schule. Immer wieder kam es zwar zu „Zickereien“ oder „Problemchen“, aber es war halb so schlimm wie vorher. Auch zwischendurch hielt mich Ute immer wieder auf dem Laufenden über den Prozess der Tonfeldstunden.

Was habe ich aus dieser Sache gelernt? Da ich beim besten Willen nicht wusste, was mit meinem Kind los war, was sie quälte oder störte, und meine Tochter uns auch nicht sagen konnte, was genau ihr Problem ist, hat uns die Tonfeldarbeit dahin gebracht, wo wir hinmussten. C. hat verarbeitet, was sie „quälte“, ohne darüber zu reden. Sie hat ihr Selbstbewusstsein gestärkt und konnte auch das Hormonchaos in ihrem Kopf besser verarbeiten. Wir gönnen uns nunmehr eine Tonfeldpause, lassen die Entwicklung so kommen, wie sie kommt, und dann werden wir sehen.

Mit Sicherheit kann ich sagen, dass ich die Tonfeldarbeit nur jedem empfehlen kann, der nicht weiß, warum und wieso es gerade so läuft, wie es läuft. Wir verstehen nicht immer, warum es unseren Kids nicht gut geht – überhaupt, wenn keine Ursache zu erkennen ist. Es ist sicherlich eine gute Möglichkeit, die Tonfeldarbeit zumindest zu testen.

 

 

Was war passiert?

Ganz grundsätzlich war das Verhalten des Mädchens sehr rätselhaft für alle und nicht nachvollziehbar. Sie sagte immer wieder, dass sie Angst um die Mama hat. „Ich habe Angst, dass ihr was passiert.“

Wenn man das nüchtern betrachtet, ist das natürlich Blödsinn. Aber für das Mädchen war es real. Sie konnte die Mama nicht alleine lassen. Eine Zerreißprobe für die ganze Familie. Auch diese Mutter hatte bereits viele Wege ausprobiert: Gespräche mit Lehrern, Direktion, Ärzte, Psychotherapie.

Als nichts half, erinnerte sich die Mutter an mich und fragte, ob ich mir ihre Tochter anschauen könnte. Am Tonfeld zeigte sich sehr schnell für mich: Die Ursache für ihr Verhalten liegt tiefer. So wie ihre Bewegungen und ihre Gestaltungen am Tonfeld waren, war meine Vermutung die Geburt. Also fragte ich die Eltern gezielt, wie denn die Geburt war. Und siehe da: Es kam eine Geschichte zutage, die viel erklärt hat.

Geburt: Der Ursprung vieler unerkannter Belastungen

Das Mädchen kam zwei Wochen zu früh auf die Welt – und das war wahrscheinlich auch das Glück für die Mutter. Denn sie hatte eine sog. Placenta accreta und increta. Das bedeutet, dass bei der Mutter die Plazenta in die Gebärmutter eingewachsen ist. Wer weiß, was es noch für innerliche Organschäden gegeben hätte (die Plazenta kann auch in benachbarte Organe wie z. B. die Blase einwachsen), wenn die Schwangerschaft länger gedauert hätte. Bei der Geburt hatte die Mutter enormen Blutverlust und musste sofort danach notoperiert werden. Sie konnte ihre Tochter nur kurz auf den Arm nehmen, dann hat sie das Bewusstsein verloren. Erst viele Stunden später, nach der OP, konnte sie ihr Kind richtig in Empfang nehmen. Dieses abrupte, bedrohliche erste Erlebnis – die Trennung, die Unsicherheit, die Angst um die Mutter – war im Körpergedächtnis (im impliziten Gedächtnis) des Mädchens gespeichert.

Solche frühen Erfahrungen prägen – auch wenn wir uns nicht bewusst daran erinnern.

Wir meinen gemeinhin, dass diese kleinen Lebewesen ja nichts mitbekommen, aber sie bekommen ALLES mit. Frühe Erlebnisse sind nur unserem Bewusstsein nicht zugänglich, aber sie bleiben trotzdem im Körper (im Zellgedächtnis, im Nervensystem) gespeichert. Dieses sogenannte implizite Gedächtnis ist der Sprache nicht zugänglich. Und wenn dann Jahre später irgendetwas unbewusst daran erinnert (das kann eine Kleinigkeit sein – ein Geruch, ein Satz, eine Atmosphäre), kann es sein, dass die alte, unverarbeitete Erfahrung wieder hochgeholt wird. Das nennen wir einen Trigger.

Bei diesem Mädchen könnte genau das passiert sein. Denn jahrelang hatte sie keine Probleme. Wir wissen es nicht. Aber auf einmal erlebt sie dieses „alte“ Ereignis, als wäre es wieder da – im Hier und Jetzt. Alte Schutzmechanismen (z. B. Verhaltensweisen), die damals notwendig waren, werden (total unbewusst) in der Gegenwart wieder angewendet – in Situationen, in denen es sich kein Mensch erklären kann. Das Mädchen selbst war auch verzweifelt und hat sich selbst nicht mehr verstanden. Man kann sich vorstellen, wie verunsichert sie auf einmal war.

Wie es weiterging

Wir begannen sofort mit regelmäßigen Tonfeldstunden. Das Mädchen kam sehr gerne. Im Laufe des Tonfeldprozesses konnte sie das Geburtstrauma verarbeiten – ohne darüber sprechen zu müssen.

Im Herbst, ein gutes halbes Jahr nach dem Beginn, ging sie wieder in die Schule. Nicht gleich alleine von der Haustür weg. Am Anfang musste sie die Mutter noch in die Schule bringen. Aber es ging wieder ohne Brechen und Panikattacken. Sie hatte sich stabilisiert, ihr Selbstvertrauen gestärkt. Die Angst um ihre Mutter von damals, die jetzt natürlich irrational war, ging langsam weg.

In dem nächsten halben Jahr konnte sie sich weiter stabilisieren. Es läuft fast alles wieder „normal“. Sie geht zur Schule, trifft sich mit Freundinnen, macht ihren Sport. Die Eltern werden altersgemäß immer „uncooler“ und dürfen ganz viel allein machen 😉.

Was viele nicht wissen:

Erinnerungen an das Leben im Mutterleib, die Geburt und die frühe Kindheit sind im Körper gespeichert. Sie haben lebenslange Konsequenzen. Wenn der Mensch damals erschüttert wurde, bleibt das als „unsichtbare Narbe“ bestehen – bis sie gesehen und verarbeitet wird. Wenn das nicht passiert, bestimmt sie immer weiter unser Leben und kann jederzeit wieder „aufbrechen“. Die gute Nachricht: Man kann es aufarbeiten. Aber man muss wissen, wie! Bei problematischen Verhaltensweisen von Kindern stelle ich immer wieder fest, dass genau hier der Schlüssel liegt.

In diesem Fall war die Ursache die komplizierte Geburt. Da das Ereignis vorsprachlich passiert ist, kann es auch nicht mit Sprache gelöst werden. Meistens können sich die Klienten (egal ob Kind oder Erwachsener) überhaupt nicht daran erinnern. Ich erkenne dann durch die Bewegungen der Hände und durch die Gestaltungen am Tonfeld, was da so ungünstig gespeichert ist. Genau das ist die Chance bei der Tonfeldarbeit: dass wir die wirkliche Ursache der Probleme herausfinden und damit überhaupt erst die Chance besteht, sie wirklich zu lösen.

Dieser Fall zeigt, wie sich das dann äußern kann – bei diesem Mädchen mit Schulangst. Das ist aber nur das Symptom. Manchmal, so wie hier, geht alles lange Jahre gut, und plötzlich geht nichts mehr. In anderen Fällen kommen die Probleme schleichend und werden immer schlimmer. Manchmal merkt man schon von Geburt an, dass es dem Kind nicht gut geht. Aber fast immer wissen die Eltern nicht, was sie tun sollen, und suchen danach – leider auch ganz oft – was sie falsch gemacht haben.

Mein Fazit für dich als Mama oder Papa:

Wenn dein Kind sich verändert, Probleme bekommt, sich zurückzieht oder ausrastet – und du nicht weißt, warum: Es lohnt sich, den Blick unter die Oberfläche zu wagen. Wenn es Probleme gibt, schauen wir natürlich erst dort, wo es „sichtbar“ wird – Schule, Verhalten, Freundschaften. Aber die Ursache liegt manchmal ganz woanders und oft viel länger zurück.

Alles, was Kinder tun, hat einen Sinn! Wir müssen ihn nur verstehen. In meiner Praxis erlebe ich immer wieder, dass ich mit der Tonfeldarbeit helfen kann und auf einmal vieles klarer wird.

Ich bin dankbar, dass ich dieses Mädchen begleiten durfte. Und vielleicht hilft dir ihre Geschichte ja auch ein Stück weiter. Wenn du Fragen hast, melde dich gerne bei mir. Ich freu mich über deine Nachricht.

Ute Esper - Coaching, Training, Arbeit am Tonfeld

Ute Esper

ist psychosoziale Beraterin, Coach und Trainerin. Sie sagt: „Erwachsene und Kinder mit psychischen und körperlichen Problemen suchen oft jahrelang erfolglos nach einer dauerhaften Lösung – ohne zu wissen, welche große Rolle der Körper dabei spielt. Ich löse die Probleme ganz ohne Reden: ich zeige ihnen, wie sie beim Kneten von Ton ganz leicht bis ins Nervensystem Blockaden befreien. Dadurch geht es ihnen von Stunde zu Stunde besser, sie haben wieder Freude am Leben und die Probleme bestimmen nicht mehr ihren Alltag.“